Ja, Simultandolmetscher sind unsichtbar! Mißverstehen Sie mich nicht, ich will Ihnen nicht weismachen, wir hätten alle sozusagen ein Abo auf Harry Potters Unsichtbarkeitsumhang. Es ist allerdings wahr, dass wir im Regelfall von den Konferenzteilnehmer und nicht selten auch von den Redner nicht bzw. kaum wahrgenommen werden.
Ich achte darauf, immer früh am Ort des Geschehens zu sein, um genug Zeit zu haben, mich in der Kabine einzurichten, die Organisatoren zu begrüßen, eventuell fehlende Präsentationen auf meinen Computer zu übertragen, letzte Absprachen mit der Kollegin oder dem Kollegen zu treffen, sicherzustellen, dass genug Wasser vorhanden ist, und mein Glossar noch einmal durchzugehen. Wenn die Konferenzteilnehmer eintreffen, sitze ich in der Kabine und werde gar nicht wahrgenommen. In vielen Fällen steht die Dolmetschkabine relativ weit weg vom Podium; fest eingebaute Kabinen in vielen großen Kongresszentren beispielsweise befinden sich in der 2. oder 3. Etage, so dass wir aus der Vogelperspektive arbeiten.
Der Zuhörer nimmt im Idealfall nur meine Stimme über die Kopfhörer wahr; manchmal wenden sich ein paar Köpfe, wenn nach einer halben Stunde eine andere, lautere oder leisere, höhere oder tiefere, männliche/weibliche Stimme zu hören ist.
Beim Mittagessen sagte mir vor einiger Zeit einer der Teilnehmer, nachdem ich mich als Dolmetscherin vorgestellt hatte: „Ja so was, da sitzen Menschen und dolmetschen? Und ich hatte gedacht, dass da ein Band eingespielt wird…“
Nein nein, da arbeiten Menschen und keine Maschinen! Ich habe damals diese Reaktion in meinem Herzen bewegt und mich entschieden, sie als Kompliment zu verbuchen.